Eine starke Identität lohnt sich

Unsere Identität ist einmalig. Es gibt keinen anderen Menschen auf dieser Welt, welcher so ist wie wir. Wir sind ein Unikat. Niemand hat die gleiche Geschichte wie wir. Unser Denken, Fühlen, Erleben, unsere Wahrnehmung und unser Verhalten sind nie deckungsgleich, auch wenn wir uns einigen Menschen näher fühlen als anderen.

Identität macht Authentizität erst möglich

Identität macht es uns erst möglich, Position zu beziehen und eine eigene Meinung zu entwickeln. Gleichzeitig ermöglicht sie uns, geistig flexibel zu sein und auf Basis von Argumenten zu diskutieren. Identität grenzt uns ab von anderen, macht aber auch ein „Wir“ möglich. Das Ich bleibt also im Wir erhalten und verliert sich nicht im Kollektiv, da uns eine starke Identität vor dem Ich-Verlust schützt. Das gilt vor allem für enge Partnerschaften oder Wohnen in Gemeinschaft. Das alles macht uns authentisch in unserem Handeln.

Identität und Konflikte

Identität bedeutet aber auch, in Konflikte zu geraten, da eine eigene Position es immer auch mit sich bringt, dass es Menschen gibt, die eine andere Meinung haben. Je stärker die Identität, umso klarer sind die eigenen Grenzen und können verteidigt werden. Und nicht nur das, unsere Identität macht es auch möglich, auf der Basis der Begegnung mit uns selbst in Begegnung mit Menschen zu gehen. Daraus entwickeln sich dann tiefe Beziehungen und echte Begegnungen. Diese führen uns zu neuen Einblicken, Erfahrungen und Perspektiven sowieso Austausch und ermöglichen uns Zufriedenheit, Ausgleich und Weiterentwicklung.

Konflikte, Diskussionen und weitere können zwar fordernd sein, sind aber wichtig für gesunde Beziehungen. Reibungen können Beziehungen verändern und weiter entwickeln. Es gibt keine perfekte Harmonie auf dieser Welt und symbiotische Beziehungen mit einem Quasi-Verschmelzen zweier Menschen ist wenig erstrebenswert, da der Preis darin besteht, sein eigenes Ich aufzugeben. Und dieser Preis ist ziemlich hoch, da man dadurch sein wahres Selbst verleugnet.

Es lohnt sich also, „bei sich zu bleiben“.

Können wir uns „selbst finden“?

Es gibt Menschen, die auf lange Wanderungen gehen, um „sich selbst zu finden“. Zu mir sagte auch mal eine Bekannte, ob ich alleine wandern gehe, um mich selbst zu finden. Damals sagte ich ja dazu.

Wen oder was wollen wir finden?

Heute sehe ich das anders. Was genau wollen wir eigentlich finden? Etwa ab der Pubertät, so die Entwicklungspsychologen, starten wir damit, unsere eigene Identität nach und nach zu definieren. Wir identifizieren uns mit Idolen, Prominenten, Bands usw. und oft auch mit unseren Freunden. Wenn wir uns also einen idealtypischen Verlauf der Entwicklung eines Menschen anschauen, müssten wir uns alle in der Pubertät „selbst gefunden haben“, um dann mit eigener Identität ins Leben zu starten. So viel zur theoretischen Betrachtung, welche leider außer Acht lässt, dass jeder Mensch ein Individuum ist und somit kein weiterer Mensch so ist man selbst. Dies macht es nicht leicht, idealtypische Verläufe zu definieren. Die theoretische Betrachtung hilft für den Ansatz eines Verständnisses und sicher auch für wissenschaftliche Untersuchungen, doch sie lässt wenig flexible Betrachtung zu.

Statt „selbst finden“ besser einfach leben

Ich glaube, dass Selbstfindung eine zu starre Betrachtung des Lebens ist. Denn für mich beinhaltet die Selbstfindung die Annahme, dass wenn wir irgendwann uns selbst gefunden haben, dann sozusagen „fertig“ sind. Doch fertig mit was? Das Leben ist ein Lernprozess vom ersten bis zum letzten Tag unseres Lebens. Jeder und jede kann selbst entscheiden, wie viel er oder sie lernen möchte. Damit ist es aber, so finde ich, auch ausgeschlossen, dass wir irgendwann uns selbst finden und dann, ja was dann? Laufen wir dann wie beim Marathon oder Iron Man in eine Ziellinie ein und setzen danach für immer aufs Sofa?

Das Leben ist äußerst dynamisch und immer in Bewegung. Was wir vielleicht eher sagen können, ist, dass wir im Laufe des Lebens besser und besser wissen, wer oder was uns gut tut und was nicht. Wir schauen, was wir mögen, wie wir uns wohlfühlen und mit wem.

Wenn wir das regelmäßig machen, brauchen wir nichts mehr finden, sondern wir können uns auf das Leben einlassen und sozusagen mit dem Fluss schwimmen. Ohne anzukommen.