Wenn Angst unser Leben beherrscht

Angst ist das stärkste Gefühl, was wir erleben können. Es geht bei der Angst letztlich um unser Überleben, über das Sein oder das Auslöschen unserer Existenz. 

Angst beschützt uns vor Gefahr, was evolutionär gesehen sehr sinnvoll war. 

Angst als Problem 

Das Problem ist nur, dass sich unsere Ängste in heutiger Zeit nur sehr selten auf lebensbedrohliche Situationen bezieht, sondern eher auf negative Vorstellungen unserer eigenen Zukunft, unserer Person oder unserer Umwelt. Dies zeigt sich dann an Grübeln um die gleichen Themen, Sorgen oder es zeigt sich körperlich an Schlafstörungen, Übelkeit, Kopfschmerzen oder anderen Empfindungen. 

Oft ist es auch so – in meiner Wahrnehmung – dass sich hinter Gefühlen von Wut, Traurigsein, Verachtung, Misstrauen, Schamgefühlen und so weiter eigentlich Angst verbirgt. Vielleicht ist es die Angst vor Kontrollverlust (in einer Welt, die wir sowieso nicht verstehen), die Angst vor dem Verlassenwerden, vor dem sozialen Abstieg und so weiter. Häufig rühren diese Ängste aus besagten Vorstellungen, wie das Leben zu sein hat, wie sich jemand zu verhalten hat, also letztlich aus Erwartungen. 

Wenn nun diese Vorstellungen und Erwartungen unser Leben beherrschen und wir uns immer wieder in der gleichen Schleife von diesen Gedanken und Gefühlen drehen, dann stehen wir uns selbst im Weg, weil wir letztendlich unserer Angst nachgeben und sie nicht überwinden. Es ist ein ähnliches Phänomen wie Sigmund Freuds „Wiederholungszwang“. 

Angst aushalten lernen 

Echtes Leben liegt jedoch hinter der Angst, also darin, Ängste zu überwinden. Das hat nichts Esoterisches, sondern Angst überwinden heißt, Dinge zu tun. Und zwar genau die Dinge, die einem Angst machen. Man muss durch die Angst gehen, sie durchstehen und aushalten. Das ist schmerzlich, unangenehm und mag auch andere unangenehme Gefühle hervorrufen. Doch die Mühe lohnt sich. Denn nur so wird Veränderung möglich. 

Schuld und Verantwortung

Schuld ist ein sehr unangenehmes Gefühl. Sie erschüttert unser positives Selbstbild und unser Selbstwertgefühl, weil es uns anzeigt, dass wir einen Fehler gemacht haben oder für etwas verantwortlich sind, was nicht gut gelaufen ist. Schuld kann sich in vielen Gefühlen zeigen, allen voran Traurigkeit, Wut und Angst, oder auch mit einer Mischung dieser Gefühle.

Schuld kann ziemlich zermürbend sein, wenn wir sie einseitig bei uns sehen.

Auf Schuld folgt im religiösen Sinne die Bestrafung.

Doch bestrafen wir uns vielleicht selbst schon genug, wenn wir Schuld nur bei uns selbst suchen?

Schuld empfinden wir häufig in Bezug auf andere Menschen. Und genau da ist es häufig so, dass die Schuld, die man besser als Verantwortung bezeichnet, bei beiden innerhalb einer menschlichen Beziehung liegt. Natürlich zu unterschiedlichen Anteilen, bezogen auf die jeweilige sehr individuelle Situation. Es ist nie so, dass nur „einer schuld ist“.

Schuld vs. Verantwortung

Schuld anzuerkennen heißt Verantwortung übernehmen, jedoch bezieht sich diese so gut wie nie auf eine Person oder Ereignis, bei dem oder durch den Fehler oder Unangenehmes passiert sind.

Die Übernahme von Verantwortung dreht nach meinem Empfinden den zuvor passiv Schuldigen in eine aktive Rolle, in der derjenige etwas verändern kann. Schuld ist in meiner Wahrnehmung recht passiv und nicht lösungsorientiert.

Schuld ist ein Begriff, der aus religiösen Kontexten stammt. Verantwortung ist das Äquivalent, welches die gleiche Bedeutung hat. Verantwortung bringt die Möglichkeit mit sich, gestalten zu können.

Was bringt einseitige Zuweisung von Schuld?

Meines Erachtens bringt das einseitige Zuweisen von Schuld gar nichts, außer Stillstand. Durch eine Veränderung der Perspektive, weg von der Schuld hin zur Einsicht der Verantwortung, wird Neues möglich. Türen öffnen sich. Vielleicht für eine Entschuldigung, für verändertes Verhalten, eine neue Kommunikation.

Denn Schuld wird häufig von Menschen anderen zugewiesen, welche selbst keine Verantwortung für ihr Verhalten und ihre Kommunikation übernehmen wollen.

Schuld ist folglich häufig eine Frage der Perspektive auf Etwas.

Eine neue Sicht auf die Schuld

Schuld zu empfinden, ist meines Erachtens sehr gesund, denn sie zeigt uns, dass wir nicht nach unseren eigentlichen Werten aus dem Inneren gehandelt haben und jemanden oder etwas verletzt haben. Es ist folglich für uns sinnvoll, Schuld zu empfinden, da wir auf diese Weise gut miteinander umgehen. Schuld einseitig nur auf uns selbst oder nur auf jemand oder etwas anderes zu beziehen, ist meines Erachtens sehr ungesund.

Wenn wir die Schuld nur bei uns selbst suchen, dann begeben wir uns einseitig in die Rolle des Täters und sehen nicht das Gute ins uns. Zudem fühlen wir uns dann auch länger unnötig schlecht. Die Schuld jedoch nur bei anderen oder etwas zu suchen, ist auch nicht gesund, da wir dann in der Rolle des Opfers sind und somit passiv, ohne Verantwortung.

Wir können das Schuldgefühl als ein wichtiges Gefühl betrachten, welches uns anzeigen will, dass wir nun Verantwortung übernehmen sollen. Wenn wir das tun, dann kann sich unser Schuldgefühl transformieren, in Stolz, in Freude, in eine friedvolle Stimmung, Genügsamkeit, Zufriedenheit, und vieles mehr. Und damit in etwas Positives, für uns selbst, und für andere.