Gibt es richtig und falsch?

Wenn wir jemanden oder etwas als “falsch” oder “richtig” bezeichnen, dann nehmen wir damit auch immer eine Wertung vor. Dies mag in manchen Bereichen des Lebens von Vorteil sein (man denke z.B. an naturwissenschaftliche Fakten), doch wenn es um die seelische Welt geht, haben diese Etikettierungen eher Nachteile für uns.

Etikettierungen bringen uns nicht weiter

Ich glaube, dass uns Etikettierungen wie richtig und falsch nicht weiterhelfen, wenn es darum geht, ein zufriedenes Leben zu führen. Wenn wir öfters traurig sind, wütend oder ängstlich, dann macht es Sinn, dass wir genauer hinschauen, warum wir diese Gefühle haben. Bewertungen halten uns jedoch davon ab, genauer hinzusehen. Sie sind wie Etiketten auf einem Produkt, welches dieses definitiv wirken lässt. Damit haben wir eine feste Kategorie, aber wir verlieren gleichzeitig die Möglichkeit, eine andere Betrachtung zu ermöglichen. Wir schauen uns also an, warum wir uns so fühlen, wie wir uns fühlen.

Gefühle und Gedanken sind immer richtig.

Sie zeigen uns an, wo wir hinschauen sollen. Man könnte auch sagen, sie sind ein Signal. Wenn wir darauf hören und dann entsprechend handeln, wird es uns danach sehr wahrscheinlich besser gehen. Manchmal müssen wir auch öfter hinschauen. Wenn wir aber stattdessen die Gedanken und Gefühle bewerten, wie es durch Kategorien wie „richtig“ und „falsch“ geschieht, dann kommen wir gar nicht dazu, die Gefühle wirklich zuzulassen. Dies blockiert uns auf Dauer innerlich und tut unserem Wohlbefinden nicht gut.

Gefühle zulassen

Gefühle und Gedanken zuzulassen bedeutet, sie annehmen. Das geschieht ganz ohne Wertung. Dies führt dazu, dass wir Gedanken und Gefühle beginnen zu verstehen. Dies gibt uns dann ganz neue Möglichkeiten, damit umzugehen und auf diese Weise zu neuen Wegen zu gelangen, wie auch immer diese aussehen mögen. Wenn wir blockieren, also nicht zulassen, verpassen wir die Chance auf ein tieferes Verständnis und bleiben in gewisser Weise gefangen in dem, was uns nicht gut tut.

Der Weg zu einem zufriedenen Leben kommt ohne Bewertungen und Beurteilungen oder Etikettierungen aus.

Sind Vorurteile nur Vereinfachungen der Wirklichkeit?

Nach meiner Erfahrung kommt es öfters vor, dass wir – ohne das Wissen oder die Erfahrung – über einen anderen Menschen ein Urteil fällen (dies gilt auch für andere Bereiche, doch hier soll es um Menschen gehen).

Ein Beispiel: „Die ist wie …“ und dann kann man beliebig einsetzen, an wen oder was einen die Person erinnert.

Die Sache mit dem vorzeitigen Urteil ist allerdings in der Wirklichkeit nicht so einfach. Denn wir können nicht von nur einer oder wenigen Situationen oder einer Aussage auf den gesamten Charakter eines Menschen schließen. Zudem verhalten sich Menschen immer in einem Kontext. Wenn dieser nicht ändert, dann sehen wir auch oft keine weiteren Facetten von diesem Menschen. Und Menschen können sich auch verändern.

Warum wir Vorurteile bilden

Warum bilden wir Vorurteile? Weil es einfach ist, in unserer Wahrnehmung feste Kategorien zu haben. Diese werden mehr oder weniger automatisch abgerufen und verbrauchen daher weniger Denkenergie in unserer immer komplexer werdenden Welt. Als Menschen streben wir grundsätzlich danach, nicht zu viel Energie aufzuwenden. Kategorien vereinfachen unser Denken und Handeln, sie machen das Leben aber leider auch ärmer im Hinblick auf neue Perspektiven und Blickwinkel.

Wir wissen in Wirklichkeit nicht so viel, wie wir manchmal denken.

Ich glaube, dass wir uns besser damit tun, wenn wir uns in Demut üben und zugeben, dass wir vieles einfach nicht wissen können. Eine Person relativ treffsicher einschätzen können wir sie erst, wenn wir sie in sehr vielen verschiedenen Situationen erlebt haben. Dann können wir sagen, wir kennen den Menschen sehr gut. Das heißt aber auch nicht, dass wir alles über ihn oder sie wissen. Denn mag es auch seltsam klingen: wir können einen anderen Menschen nie ganz kennen. Wir können immer nur das sehen, was derjenige uns zeigen mag.

Ähnlich ist es mit faktischem Wissen: Je mehr wir wissen, desto mehr müssen wir auch erkennen, was wir nicht wissen.