Unser Leben, jenseits von Idealisierung und Abwertung

Ständig geschieht es in unserer westlich geprägten Gesellschaft, dass wir jemand oder etwas bewerten. Das ist fast schon ein Automatismus. In der Bewertung liegt Sicherheit, da wir dadurch auch einordnen können.

Problematisch ist jedoch, wenn wir in Extreme verfallen, stark idealisieren oder stark abwerten.

Dadurch übersehen wir auch, dass alles und jeder grundsätzlich zwei Seiten hat. Vorteile und Nachteile. Stärken und Schwächen.

Durch eine integrierte Gesamtsicht auf etwas oder jemandem gelingt es uns, ein umfassendes Bild zu bekommen. Hierdurch wird der Blick klar und ist nicht mehr vernebelt durch ein Extrem oder das Andere.

Klar, das kann auch mal anstrengend sein. Einfacher sind natürlich wenige Schemata der Bewertung. So können schnelle Einordnungen erfolgen. Doch die Welt ist nicht so einfach und übersichtlich, sondern komplex und nicht so vorhersagbar, wie wir manchmal glauben wollen.

Doch die Mühe lohnt sich: Ein frischer, neuer Blick kann sich auf diese Weise entwickeln. Daher liegt jenseits von Idealisierung und Abwertung die Klarheit, mit der Gelassenheit und Ruhe einhergehen.

Denn wenn wir zwei Seiten der Medaille betrachten können, dann können wir uns auch auf das fokussieren, was uns am Herzen liegt. Unsere Aufmerksamkeit hängt nicht mehr in den Extremen, sondern der Blick kann sich weiten auf gänzlich neue Aspekte einer Situation, einer Beziehung, des Berufs und vieles mehr.

Das Leben ist nicht linear. Es folgt nicht dem Prinzip der Ursache und direkten Wirkung, sondern ist stets eine Folge von ganz verschiedenen Bedingungen. Somit ist der Verlauf unseres Lebens nicht festgeschrieben, solange wir immer wieder unseren Blickwinkel drehen. So entstehen neue Möglichkeiten des Denkens, Fühlens und Handelns, welche wir erst dann sehen können, wenn wir unseren bisherigen Standpunkt verlassen.

Oder man könnte auch sagen, wir wechseln die bisherige Bühne, auf der wir standen, und treten auf eine neue. Auf dieser spielt ein ganz neues Stück, auf der Bühne unseres Lebens. Im Leben können wir auch auf mehreren Bühnen stehen, je nach Phase, Stimmung oder Präferenz im Allgemeinen.

Gibt es richtig und falsch?

Wenn wir jemanden oder etwas als “falsch” oder “richtig” bezeichnen, dann nehmen wir damit auch immer eine Wertung vor. Dies mag in manchen Bereichen des Lebens von Vorteil sein (man denke z.B. an naturwissenschaftliche Fakten), doch wenn es um die seelische Welt geht, haben diese Etikettierungen eher Nachteile für uns.

Etikettierungen bringen uns nicht weiter

Ich glaube, dass uns Etikettierungen wie richtig und falsch nicht weiterhelfen, wenn es darum geht, ein zufriedenes Leben zu führen. Wenn wir öfters traurig sind, wütend oder ängstlich, dann macht es Sinn, dass wir genauer hinschauen, warum wir diese Gefühle haben. Bewertungen halten uns jedoch davon ab, genauer hinzusehen. Sie sind wie Etiketten auf einem Produkt, welches dieses definitiv wirken lässt. Damit haben wir eine feste Kategorie, aber wir verlieren gleichzeitig die Möglichkeit, eine andere Betrachtung zu ermöglichen. Wir schauen uns also an, warum wir uns so fühlen, wie wir uns fühlen.

Gefühle und Gedanken sind immer richtig.

Sie zeigen uns an, wo wir hinschauen sollen. Man könnte auch sagen, sie sind ein Signal. Wenn wir darauf hören und dann entsprechend handeln, wird es uns danach sehr wahrscheinlich besser gehen. Manchmal müssen wir auch öfter hinschauen. Wenn wir aber stattdessen die Gedanken und Gefühle bewerten, wie es durch Kategorien wie „richtig“ und „falsch“ geschieht, dann kommen wir gar nicht dazu, die Gefühle wirklich zuzulassen. Dies blockiert uns auf Dauer innerlich und tut unserem Wohlbefinden nicht gut.

Gefühle zulassen

Gefühle und Gedanken zuzulassen bedeutet, sie annehmen. Das geschieht ganz ohne Wertung. Dies führt dazu, dass wir Gedanken und Gefühle beginnen zu verstehen. Dies gibt uns dann ganz neue Möglichkeiten, damit umzugehen und auf diese Weise zu neuen Wegen zu gelangen, wie auch immer diese aussehen mögen. Wenn wir blockieren, also nicht zulassen, verpassen wir die Chance auf ein tieferes Verständnis und bleiben in gewisser Weise gefangen in dem, was uns nicht gut tut.

Der Weg zu einem zufriedenen Leben kommt ohne Bewertungen und Beurteilungen oder Etikettierungen aus.