Sind Vorurteile nur Vereinfachungen der Wirklichkeit?

Nach meiner Erfahrung kommt es öfters vor, dass wir – ohne das Wissen oder die Erfahrung – über einen anderen Menschen ein Urteil fällen (dies gilt auch für andere Bereiche, doch hier soll es um Menschen gehen).

Ein Beispiel: „Die ist wie …“ und dann kann man beliebig einsetzen, an wen oder was einen die Person erinnert.

Die Sache mit dem vorzeitigen Urteil ist allerdings in der Wirklichkeit nicht so einfach. Denn wir können nicht von nur einer oder wenigen Situationen oder einer Aussage auf den gesamten Charakter eines Menschen schließen. Zudem verhalten sich Menschen immer in einem Kontext. Wenn dieser nicht ändert, dann sehen wir auch oft keine weiteren Facetten von diesem Menschen. Und Menschen können sich auch verändern.

Warum wir Vorurteile bilden

Warum bilden wir Vorurteile? Weil es einfach ist, in unserer Wahrnehmung feste Kategorien zu haben. Diese werden mehr oder weniger automatisch abgerufen und verbrauchen daher weniger Denkenergie in unserer immer komplexer werdenden Welt. Als Menschen streben wir grundsätzlich danach, nicht zu viel Energie aufzuwenden. Kategorien vereinfachen unser Denken und Handeln, sie machen das Leben aber leider auch ärmer im Hinblick auf neue Perspektiven und Blickwinkel.

Wir wissen in Wirklichkeit nicht so viel, wie wir manchmal denken.

Ich glaube, dass wir uns besser damit tun, wenn wir uns in Demut üben und zugeben, dass wir vieles einfach nicht wissen können. Eine Person relativ treffsicher einschätzen können wir sie erst, wenn wir sie in sehr vielen verschiedenen Situationen erlebt haben. Dann können wir sagen, wir kennen den Menschen sehr gut. Das heißt aber auch nicht, dass wir alles über ihn oder sie wissen. Denn mag es auch seltsam klingen: wir können einen anderen Menschen nie ganz kennen. Wir können immer nur das sehen, was derjenige uns zeigen mag.

Ähnlich ist es mit faktischem Wissen: Je mehr wir wissen, desto mehr müssen wir auch erkennen, was wir nicht wissen.