Es gibt Menschen, die auf lange Wanderungen gehen, um „sich selbst zu finden“. Zu mir sagte auch mal eine Bekannte, ob ich alleine wandern gehe, um mich selbst zu finden. Damals sagte ich ja dazu.
Wen oder was wollen wir finden?
Heute sehe ich das anders. Was genau wollen wir eigentlich finden? Etwa ab der Pubertät, so die Entwicklungspsychologen, starten wir damit, unsere eigene Identität nach und nach zu definieren. Wir identifizieren uns mit Idolen, Prominenten, Bands usw. und oft auch mit unseren Freunden. Wenn wir uns also einen idealtypischen Verlauf der Entwicklung eines Menschen anschauen, müssten wir uns alle in der Pubertät „selbst gefunden haben“, um dann mit eigener Identität ins Leben zu starten. So viel zur theoretischen Betrachtung, welche leider außer Acht lässt, dass jeder Mensch ein Individuum ist und somit kein weiterer Mensch so ist man selbst. Dies macht es nicht leicht, idealtypische Verläufe zu definieren. Die theoretische Betrachtung hilft für den Ansatz eines Verständnisses und sicher auch für wissenschaftliche Untersuchungen, doch sie lässt wenig flexible Betrachtung zu.
Statt „selbst finden“ besser einfach leben
Ich glaube, dass Selbstfindung eine zu starre Betrachtung des Lebens ist. Denn für mich beinhaltet die Selbstfindung die Annahme, dass wenn wir irgendwann uns selbst gefunden haben, dann sozusagen „fertig“ sind. Doch fertig mit was? Das Leben ist ein Lernprozess vom ersten bis zum letzten Tag unseres Lebens. Jeder und jede kann selbst entscheiden, wie viel er oder sie lernen möchte. Damit ist es aber, so finde ich, auch ausgeschlossen, dass wir irgendwann uns selbst finden und dann, ja was dann? Laufen wir dann wie beim Marathon oder Iron Man in eine Ziellinie ein und setzen danach für immer aufs Sofa?
Das Leben ist äußerst dynamisch und immer in Bewegung. Was wir vielleicht eher sagen können, ist, dass wir im Laufe des Lebens besser und besser wissen, wer oder was uns gut tut und was nicht. Wir schauen, was wir mögen, wie wir uns wohlfühlen und mit wem.
Wenn wir das regelmäßig machen, brauchen wir nichts mehr finden, sondern wir können uns auf das Leben einlassen und sozusagen mit dem Fluss schwimmen. Ohne anzukommen.